Sanja Hahofer arbeitet täglich inspiriert in einem öffentlichen Kindergarten der Stadt.
TEXT: UWE MAUCH
FOTO: MARIO LANG
Gegen 6 Uhr trifft das erste Energiebündel ein. Ein Mädchen, dessen Mutter nur wenig später die Arbeit in einem Supermarkt beginnt. Sollte Sanja Hahofer bis jetzt noch nicht munter gewesen sein, jetzt ist sie es!
Unmittelbar nach der lebhaften Begrüßung folgt die dringliche Frage: «Sanja, spielen wir Memory?» Warum nicht? Seit sechs Jahren arbeitet die 26-jährige Elementarpädagogin in diesem städtischen Kindergarten, der im Erdgeschoß eines großen alten Gemeindebaus an der Laxenburger Straße integriert ist.
Sammeln.
Hier werden derzeit 96 Kinder in fünf Gruppen von Montag bis Freitag betreut. Die Kinder sind zwischen einem und sechs Jahre alt. Die meisten stammen aus Familien, die nachweislich weniger Zugang zu Bildung und privatem Reichtum haben.
Sanja Hahofer ist heute für die früher Eintrudelnden verantwortlich. Bis halb acht Uhr sammeln sich in Erwartung eines neuen großartigen Tages neun, zehn, elf Kinder in ihrer Sammelgruppe. Allmählich kommt der Kindergarten in die Gänge.
Vor acht Uhr wechselt die «Springerin» in die Kleinkindergruppe. Als Einspringerin landet sie regelmäßig dort, wo sie gerade gebraucht wird.
Ideenreich haben die Pädagog:innen jeden Winkel im alten Gemeindebau-Gemäuer eingerichtet. Sogar eine Arztpraxis finden die Kinder zum Spielen und Lernen vor. Der eingezäunte kleine Spielplatz im Innenhof ist kein Garten Eden. Dafür bietet Favoriten an den grünen Rändern der Stadt ausreichend Platz für spannende Erkundungstouren.
Gut tut allen die Ruhe, die von der erfahrenen Kindergartenleiterin ausgeht. Auch Sanja Hahofer profitiert davon. Sie macht jedenfalls nicht den Eindruck, als würde sie im Nu unter der Last ihrer Aufgaben zusammenbrechen. Das bedeutet aber nicht, dass alles gut ist.
Fördern.
Die 15 Kinder in der Kleinkindergruppe sind ein bis drei Jahre alt. «Sie brauchen noch viel körperliche Nähe», weiß die Kindergärtnerin, die mit einer Kollegin gemeinsam intensiv gefordert ist.
Das Wissen, dass ein ihnen gut bekannter erwachsener Mensch in der Nähe ist, wirkt sichtlich beruhigend auf all die Stöpsel. Im Laufe der Wochen, Monate, Jahre entstehen zumeist intensive persönliche Beziehungen. «Und am Ende», erzählt Sanja Hahofer, «tut es mir fast schon ein bisserl weh, wenn uns wieder ein Kind in Richtung Schule verlässt.»
Auch sie ist ein Kind Favoritens. Wurde hier geboren. Ist hier auch in den Kindergarten gegangen. Gerne erinnert sie sich an die Andrea, die dort ihre Bezugsperson war: «Die werde ich nie vergessen, die war echt super.»
Später, in der dritten Klasse Gymnasium, habe ihr eine ältere Mitspielerin beim Volleyball von der Möglichkeit erzählt, eine Matura zu machen und dann mit Kindern im Kindergarten zu arbeiten. «Ich ging mit ihr, ohne es meinen Eltern zu sagen, zum Tag der offenen Tür und war sofort begeistert.» Fünf Jahre lang dauerte ihre Ausbildung an der BAfEP, der Bildungsanstalt für Elementarpädagogik in der Ettenreichgasse, die sich auch im zehnten Bezirk befindet.
Verantwortlich ist die «Springerin» zusätzlich für die KLK, also für die Kinder im letzten Kindergartenjahr. 29 sind das heuer. «Meine Aufgabe ist es, sie fit für die Schule zu machen.»
Kein Leichtes. Bei mehr als der Hälfte der Kids ist die gute Arbeit des Kindergartens und der Familien offensichtlich. Sieben, acht Kinder sprechen momentan noch nicht genügend gut Deutsch, um den Einstiegstest für die Volksschule bestehen zu können. «Ihre Eltern müssen ihnen mehr helfen als bisher.»
Wichtig ist Sanja Hahofer dabei ein Hinweis wider das Klischee: «Unsere Eltern haben ihre Kinder nicht weniger lieb als Eltern anderswo. Manchmal mangelt es aber an sprachlichen Kompetenzen. Oder aber ihre Arbeit lässt nicht mehr Beschäftigung mit den Kindern zu.»
Freuen.
Keine Frage, ihr Beruf ist anstrengend. Doch die schönen Momente überwiegen, betont die Pädagogin. «Ich freue mich jedes Mal, wenn sich ein Kind freut, dass es wieder etwas geschafft hat. Jeder Tag ist anders. Und an jedem Tag kann ich mit den Kindern lachen. Weil sie sich auch kein Blatt vor den Mund nehmen.»
Auf die Frage, was sie sich als Elementarpädagogin wünscht, meint die junge Frau, die auch eigene Kinder haben möchte: «Mehr Wertschätzung für unsere Arbeit. Wir sind keine ‹Tanten›, die mit den Kindern ein bisschen herumspielen. Wir überlegen uns immer wieder aufs Neue sehr genau, wie wir sie fördern können.» Und ja, Wertschätzung lässt sich auch durch Bezahlung ausdrücken: «Ein bisserl mehr dürfte es schon sein.»