Augustin 501
Endlich wieder in Farbe
Habe ich da gerade ein Cabrio mit offenem Verdeck vorbeifahren sehen? Ganz eindeutig höre ich aber Vogelgezwitscher (Singdrossel?) und erkenne hellgelbe Primeln im Rasen. Nach Monaten unter der Hochnebeldecke, die Wien in eine besonders langweilige Version von Shades of Grey verwandelte, habe ich das Gefühl, meine Umgebung endlich wieder in Farbe zu sehen. Im Gegensatz dazu verschreibt sich die Politik derzeit weitgehend dem Schwarzweiß-Denken und suggeriert, es gäbe keine Wahlmöglichkeiten, sondern nur ein Wirtschaftssystem, ein «Heimatland» und eine Form des Lebensentwurfs und -wandels.
Unterschiedlichste Ausschlussmechanismen verhindern gesellschaftliche Teilhabe – im AUGUSTIN ist das Sichtbarmachen dieser Mechanismen seit 25 Jahren Thema und ebenso das Aufzeigen von Gegenentwürfen, Aushebelungsstrategien und Forderungen zur Behebung von diskriminierender Ungleichbehandlung. Denn die Hauptzielsetzung des AUGUSTIN ist es ja nicht zu motschkern (auch wenn viele das glauben), sondern Ideen, Wünsche, Visionen eines besseren Lebens für alle unter die Leute zu bringen und gelungene Beispiele und Ansätze dafür bekanntzumachen. Dabei ist es wesentlich, Betroffene selbst zu Wort kommen zu lassen.
«Lernen zu können fördert die Selbstständigkeit. Darum wünsche ich mir, dass Menschen, die es notwendig haben, Hilfsangebote bekommen», sagt Johanna Ortmayr, Präsidentin des Vereins Down-Syndrom Österreich im Interview mit Lisa Bolyos (S. 6). In unserer Coverstory geht es u. a. um schulische Inklusion, die in Österreich eher die Ausnahme als die Regel ist. Und Inklusion möglichst aller Bevölkerungsgruppen bedeutet nicht eine schöne Geste, es ist eine unabdingbare Voraussetzung einer lebendigen, sich entwickelnden Gesellschaft. Wer sich abschottet, ist bald nur mehr mit Mauerbau und Mauersicherung beschäftigt. Da lebe ich lieber mit Hochnebel als mit dieser gräulichen Zukunftsvision.