Ausgabe 438 - 06/2017
Schlichte Ignoranz
Ohne Göd ka Musi – in einem Ranking der abgedroschensten Phrasen würde es dieser altbekannte Spruch sicher in die Top 10, wenn nicht gar auf einen Stockerlplatz schaffen. Und so abgelutscht diese Floskel auch sein mag, ist sie einerseits ebenso zutreffend wie andererseits hinterfragbar.Dass Tätigkeiten, seien sie nun manueller, dienstleisterischer oder künstlerischer Art, (finanziell) abgegolten werden sollen, scheint nur recht und billig. Die Frage ist, wer befindet sich überhaupt in einer Position, Gage für ihr oder sein Tun zu fordern? Und wer tritt in einer preis-leistungs-orientierten Ökonomie als Bittsteller_in auf, und wem wird zugemutet, ihre oder seine Arbeit gratis zur Verfügung zu stellen? Gerade Musiker_innen sind zusehends mit der Erwartung konfrontiert, unbezahlt aufzutreten. Ein jüngstes Beispiel, das als typisch für den respektlosen Umgang mit Performer_innen in der sogenannten «Musikstadt» Wien gelten kann, ist die Durchführung eines unsäglichen Wettbewerbes zur Beschallung von U-Bahn-Stationen. Die Wiener Linien riefen Musiker_innen auf, sich für ein Casting für Auftritte in hiesigen Untergrundstationen zu bewerben, deren Zweck aber nicht in erster Linie die Unterhaltung von Öffi-Nutzer_innen sein soll, sondern die Steigerung des Sicherheitsgefühls «untertags». Bezahlung für die U-Bahn-Gigs wird es keine geben. Lisa Bolyos nahm die «U-Bahn-Stars»-Kampagne unter die Lupe und holte Meinungen von Musiker_innen dazu und zum Thema Straßenmusik ein, während Michael Bigus fotografische Impressionen aus Wiens Straßenmusik-Szene beisteuert (Seiten 6–7).
Dass die Lage vieler Kunstschaffender, Kulturarbeiter_innen und kultureller Einrichtungen sich bestenfalls als prekär bezeichnen lässt, liegt nicht nur an schmaler werdenden Kulturbudgets, sondern auch am mangelnden Willen politischer Entscheidungsträger_innen sowie schlichter Ignoranz. Davon zeugt zum Beispiel die mehr als spärliche Kinolandschaft Kärntens, über die Chris Haderer berichtet, der Klagenfurt und das dortige Volkskino sowie das Kinomuseum besuchte (Seite 16).
Apropos prekär: Die Regelungen des AMS bezüglich zeitweiliger Selbstständigkeit dürften derart verworren sein, dass selbst Mitarbeiter_innen der Einrichtung mitunter den Durchblick verlieren. Daniela Koweindl schildert auf Seite 24 die Erfahrungen einer Kuratorin und Kulturarbeiterin, deren Einspruch gegen fälschlicherweise gestrichene AMS-Bezüge letztlich erfolgreich war.