Ausgabe 470 - 11/2018
Fakten und Fantasie
Fantasievoll mit Sprache und Inhalten umgehen – in Zeiten wie diesen denkt man dabei gleich mal an «Fake News», die ja spätestens seit Trumps «Alternative Facts» in aller Munde sind. Aber es geht nicht immer nur um Fakten, zumindest nicht in der Literatur, deren Genres es zum Glück sehr viele gibt.Die Literatur darf einiges. So wichtig es ist, der Realität mit gut recherchiertem und menschliche Haltung beweisendem Journalismus auf die Spur zu kommen (kurze Werbeeinschaltung: Wer linke Medien will, muss sie kaufen), so wichtig ist es auch, der Kunst die Luft nach oben (und rundherum) zu lassen. Unheimliche Autobahngefühle zum Beispiel fliegen bestimmt hoch, auch wenn das noch niemand beweisen konnte. Unheimliche Autobahngefühle? Ist Halloween (Unheimliches) nicht schon vorbei? Oder sind damit etwa Verkehrsminister Hofers Tempo-140-Fantasien gemeint? Nein. Die sind teilweise leider bereits Realität geworden – und haben auch nicht so eine wunderschöne Sprachschöpfung verdient. Erdichtet hat die unheimlichen Autobahngefühle der Schriftsteller David Sylvester Marek, der am Cover dieser Ausgabe gemeinsam mit Handpuppe zu sehen ist. Mareike Boysen hat sich anlässlich des Erscheinens seines ersten Kurzgeschichten-Bandes, die der Autor Franzobel herausgegeben hat, mit den Ansichten des «natürlichen Surrealisten» und seinem wundersamen Schreiben befasst (S. 26).
Franzobel hält Marek übrigens für ein Genie. Letzteres muss man nicht sein, um einen Trend zu erkennen: nämlich, dass in Städten tendenziell linker gewählt wird als am Land. Fantastisch geht es in Robert Sommers Text zu diesem Thema (S. 6) auch nicht zu, eher werden harte Zahlen und Fakten genannt und wird die Frage zu beantworten versucht, warum dem so ist und wie es sich ändern könnte.
Fantastisch hingegen sehen die Fotos von Nina Strasser aus: Sie hat die Mitglieder des Footballteams Danube Dragons Ladies fotografiert, die seit Jahren versuchen, an ihrem Lokalrivalen vorbeizukommen, wie (noch einmal) Mareike Boysen berichtet (S. 18). «Play-offs, das weiß jede und jeder, haben ihre ganz eigenen Regeln», hält sie im Text fest. Gut, dass auch die Fantasie ihre ganz eigenen Regeln bzw. keine hat. Denn Fantasie brauchen wir, um gute Strategien gegen Fake News und harte Fakten schaffende unmenschliche Regierungsentscheidungen auszutüfteln.