Golfen geht auch niederschwelligvorstadt

Ballgolf gilt als elitärer Sport, doch es gibt Golfvarianten fernab von Etikette und Platzreife. Wir zeigen drei Beispiele: das etwas aus der Mode gekommene Bahnengolf, Soccergolf und den US-Import Discgolf.

TEXT UND FOTOS: NINA THIEL

Bahnengolf: Uncoole Wissenschaft

Schultern nach unten. Fester Griff. Hände nah zueinander. Leicht in die Knie gehen. Füße im rechten Winkel zum Ziel. Mit dem Oberkörper schwingen, nicht mit den Armen! Es sind einige Tipps, die ich auf der Heimanlage des Bahnengolfclubs Rot-Gold zu beachten versuche. Die Sonne steht hoch. Ich schwitze. Hans-Werner Schmidt ist langjähriger Spieler und begleitet mich mit aufmerksamem Blick durch die Anlage in Wien-Favoriten. Wir sind die einzigen Golfer_innen. Am angrenzenden, asphaltierten Sportplatz spielen etwa ein Dutzend Kinder und Jugendliche Fußball. Ich kontrolliere noch einmal meine Haltung und hebe den Schläger an. Dann fixiere ich mein Ziel an der Bande. Ich hole aus und gebe dem Ball einen gefühlvollen Stoß. Der Ball trifft die Bande, rollt im richtigen Winkel weiter und fällt ins Loch am Ende der Bahn. «Ja, schon ned schlecht!», stolz folge ich Herrn Schmidt zur nächsten Bahn.
«Der Platzrekord liegt bei 23 Schlägen.» Hans-Werner Schmidt ist Lehrwart im Bahnengolfclub Rot-Gold und mein Spielpartner in einer Partie Minigolf. Zertifizierte Minigolfanlagen haben allesamt 18 – in Länge, Steigung, Hindernissen und sogar der Anordnung zueinander – genormte Bahnen. Um einen Großteil der Bahnen mit nur einem Schlag absolvieren zu können, braucht es Konzentrationsfähigkeit, ein einfaches physikalisches Verständnis und auch Kondition. «Man glaubt es kaum», Herr Schmidt lacht. Er spricht von Landes- und Staatsmeisterschaften als auch von einer Europa- und Weltmeisterschaft, bei denen Sportler_innen über mehrere Turniertage hinweg stundenlang an den Bahnen stehen. Mit dutzenden verschiedenen Bällen und einem einzigen Schläger treten professionelle Spieler_innen gegeneinander an. Die Bälle unterscheiden sich in Gewicht, Material und Oberfläche. Je nach gewünschtem Verhalten werden die Bälle sogar in Hosentaschen gewärmt oder in mitgebrachten Eisboxen gekühlt. Die Wahl des richtigen Spielmaterials gleicht einer Wissenschaft. Eine offenbar uncool werdende Wissenschaft.
«Es gibt mittlerweile zwei Seniorenklassen, aber fast keine Junioren», Hertha Lindmayr ist Präsidentin des Minigolfclub Union Savoyen und spricht von einem Imageproblem des Sports. Sie selbst ist seit 1967 aktive Spielerin und beobachtet die älter werdende Community im Bahnengolf. Die Sportart werde von der Jugend, aber auch den Eltern unterschätzt. Und das Medieninteresse sei einfach zu gering, um dem entgegenzuwirken. Als ehemalige Breitensportbeauftragte versucht sie den Sport als Anlaufstelle für Kinder, Jugendliche und Familien attraktiver zu gestalten.

Bahnengolf ist der Oberbegriff für drei unterschiedliche Anlagen: Minigolf (Betonbahnen mit einer Länge von 12 Metern), Miniaturgolf (Eternitbahnen mit einer Länge von 6,25 Metern) und Filzgolf (Holzbahnen mit wetterfestem Filzbelag, wobei die Länge zwischen 9 und 18 Metern variiert).
Benötigtes Material: Ein Schläger (kostet zwischen 20 und 130 Euro) und bis zu sechs Bälle (ein Ball kostet etwa 18 Euro), beides kann meist gegen eine kleine Gebühr ausgeborgt werden.
Sportstätten: In Wien gibt es 8 Bahnengolf-Vereine mit zertifizierten Anlagen in Mini-, Miniatur- und Filzgolf.
oebgv.at

Soccergolf: Kein Dresscode

Die Sonne strahlt. Es ist unbarmherzig heiß und kein Schatten in Sicht. Stattdessen ist die Soccergolfanlage geprägt von Fahnen als Markierung für die Bahnenziele. Auto­reifen, Holzpfahle und Sandbunker stellen Hindernisse dar. Die vorbeirasenden Autos auf der angrenzenden Autobahn sind durch die hohen Lärmschutzwände nur als leises Rauschen wahrnehmbar. Der Schweiß steht mir auf der Stirn. Die Sonne blendet mich. Mit zusammengekniffenen Augen trete ich den Ball sachte in das etwa einen Meter breite Loch im hügelig angelegten Green. «Vier!», sage ich zu meinem Mitspieler Stefan, der die Schüsse in unserer Scorecard einträgt. Wir machen eine Pause in der Mitte der Anlage. Ich setzte mich auf die Bierbank unter dem roten Sonnenschirm. Neben mir steht ein Getränkeautomat. Es gibt Wasser, Saft und Softdrinks. Bier und Radler sind schon ausverkauft.
Etwa dreißig Autominuten von Wien entfernt befindet sich die Soccergolfanlage Stockerau. Genauer gesagt an der Raststation Kaiserrast neben der A22 der Donauufer-Autobahn. Die Idee zur ungewöhnlichen Nutzung der freien Fläche neben dem bereits bestehenden Gastronomiebetrieb hatte Christoph Kaiser. Er führt das Familienunternehmen mit Geschwistern, Cousinen und Cousins. «Wir wollten zu einem Ausflugsziel in Niederösterreich werden.» Inspiration hat die Soccergolfanlage in Salzburg geliefert. Diese sei professioneller, erklärt Christoph: «Wir könnten schon weitere Hindernisse errichten und die Regeln stärker kommunizieren, aber bei uns steht die Gaudi im Vordergrund.» Das Spiel soll der ganzen Familie, unabhängig der fußballerischen Erfahrung, möglich sein. Diese Zugänglichkeit unterscheidet den Sport von der verwandten Disziplin Footgolf.
Während das niederschwellige Soccergolf auf eigenen Anlagen fernab der Golf-Community funktioniert, wird das kompetitivere Footgolf auf üblichen Golfanlagen – mit speziell vergrößerten Löchern – gespielt. Unterschiede im Spielablauf gibt es kaum. Dafür im Image. Auf der Website des österreichischen Footgolf-Verbandes heißt es: «Die Footgolfregeln sind analog zu den klassischen Golfregeln und natürlich wird auch diszipliniertes Verhalten und Einhaltung der Etikette erwartet. Es schickt sich nicht, in einem Fußballoutfit zu erscheinen, sondern Poloshirt, knielange Golfhosen und kniehohe Stutzen sind der Dresscode.»
«Es ist spannend, wie sich das Eine weg vom elitären Image des Golfsports entwickelt, während sich das Andere daran orientiert», findet Christoph. Bekanntheit genießt (noch) keine der beiden Fußballgolfarten. «Manche Bewohner von Stockerau glauben noch, unsere Anlage sei ein Abrichteplatz für Hunde.» Christoph hofft auf wachsendes Interesse an dieser Sportart, denn er will seine Begeisterung mit möglichst vielen Menschen teilen.

Soccergolf wird mit einem üblichen Fußball gespielt, der mit möglichst wenigen Schüssen in ein Ziel gekickt werden muss. Dieses kann ein mit Beton ausgegossenes Loch im Boden, ein spezielles Netz oder ein höher gelegener Topf sein.
Benötigtes Material: 1 Fußball, der gegen eine Kaution meist kostenlos bei Soccergolfanlagen ausgeliehen werden kann.
Sportstätten: Die einzige Anlage in der Nähe von Wien befindet sich an der Kaiserrast in Stockerau. Sie liegt direkt an der A22 und ist am besten mit dem Auto erreichbar. Die Tagesgebühr beträgt für Kinder 11 und für Erwachsene 17 Euro.
soccergolfstockerau.at oder oefgb.at

Discgolf: Nähe zur Natur

Meine Fingerspitzen klammern sich an die rosarote Frisbeescheibe. Mehrmals führe ich die tellergroße Disc an meinem Körper vorbei und imitiere eine geradlinige Wurfbewegung. Der Discgolfparcours am Hausberg der Bleiburger_innen, auf der Petzen, ist von einem malerischen Gipfelpanorama geprägt. Mein Blick ist nicht auf die kaum berührten Almwiesen, die blühenden Wildkräuter oder den dunkelblauen Bergsee, sondern auf den etwa 80 Meter weit entfernten Korb aus Metall gerichtet. Er befindet sich inmitten dichtstehender Nadelbäume. Der aufkommende Nebel macht ihn schwer sichtbar. Ich atme ein und hole aus. Mit voller Kraft ziehe ich die Scheibe an meinem Körper vorbei und lasse los. Zu spät, wie mir mein Bruder – er selbst ist erfahrener Discgolfspieler – noch sagen wird. Die Scheibe kippt in der Luft, stürzt nach rechts und landet im Uferbereich des Sees im knöcheltiefen Wasser.
«Ein Discgolfparcours wird in die Natur eingepflegt, anstatt in die Landschaft einzugreifen.» Christian Klima ist langjähriger Discgolfer und hebt vor allem die Naturverbundenheit und Nachhaltigkeit als Besonderheit des Sports hervor. Die Anlagen bestehen aus bis zu 18 Bahnen mit Längen zwischen 50 und 350 Metern. Natürliche Hindernisse können dabei Bäume, Teiche, Gräben oder Felsen sein. Es brauche dadurch wenige Ressourcen, um einen Discgolfparcours zu betreuen. Das ist nicht nur gut für die Umwelt. Es macht jeden Parcours einzigartig, ermöglicht günstige Preise und einen niederschwelligen Einstieg in den Sport. Während viele, etwa von Gemeinden unterstützte, Parcours in Österreich kostenlos bespielbar sind, werden private oder von Vereinen betriebene durch niedrige Gebühren oder Mitgliedsbeiträge finanziert. Christian ist auch Funktionär beim Discgolfclub Pannonia, welcher einen Parcour in Eisenstadt betreut. Tagesspielberechtigungen kosten hier 7 Euro, eine Jahresmitgliedschaft im Club kann für 40 Euro abgeschlossen werden. Notwendige Vorkenntnisse ähnlich einer Platzreife gibt es im Discgolf keine.
«Es ist von Anfang an lustig, auch für Einsteiger. Ursprünglich wollte Christian den klassischen Golfsport ausüben. «Nach dem allerersten Mal Discgolf spielen habe ich es wieder aufgegeben.» Der ausschlaggebende Aspekt sei die Nähe zur und der Umgang mit der Natur gewesen. Heute spielt er wettbewerbsmäßig Discgolf, trainiert Anfänger_innen und setzt sich gemeinsam mit seinem Verein für die Entwicklung des Sports ein. «Es ist halt ein bisserl zach», das Interesse an Discgolf sei – noch – nicht groß genug, um den Bekanntheitsgrad spürbar steigern zu können. Christian spricht dieser Sportart nichtsdestotrotz das Potenzial zu, in Zukunft eine breite Masse – vom Hobbysportler bis zur Profisportlerin – gewinnen zu können.

Das Ziel besteht darin, eine spezielle Frisbeescheibe, eine sogenannte Disc, mit möglichst wenigen Würfen in den Auffangkorb zu befördern. Nach jedem Wurf wird von der Stelle weitergespielt, an der die Scheibe gelandet ist.
Benötigtes Material: 1-3 Discs (eine kostet zwischen 10 und 20 Euro, wobei Scheiben meist gegen eine kleine Gebühr ausgeborgt werden können).
Sportstätten: In Wien gibt es zwei Parcours, beide gratis bespielbar: Im Prater (18 Bahnen) und im Laaerberg-Volkspark (9 Bahnen). Ein weiterer Parcours (7 Bahnen) befindet sich in Schwechat/Mannswörth, er ist mit dem Bus erreichbar und ebenfalls kostenlos bespielbar.
discgolf.at