Augustin 510

Schaum vorm Mund

In der Endfertigungsphase dieser Ausgabe setzte ein Revival der Maskenpflicht ein. Patrizia Markus, Innungsmeisterin der Mode- und Bekleidungstechnik in der Wirtschaftskammer, erzählt unserer Mitarbeiterin Eva Maria Bachinger, dass sie sich vergeblich darum bemüht habe, für heimische Betriebe einen Auftrag über FFP2-Masken für Spitäler zu lukrieren. Schneidereien hätten diesen Großauftrag gut brauchen können, denn das Alltagsgeschäft ist auch in dieser Branch stark zurückgegangen.
Global betrachtet boomte die Textilindustrie, zumindest bis Covid-19 aufgetaucht ist, sie konnte in den letzten 20 Jahren ihren Umsatz verdoppeln. Beachtlich ist auch ihr Beitrag zur Umweltbelastung, weltweit werden der Textilindustrie 20 Prozent der Abwässer zugerechnet (S. 6).
Die Wasserqualität des Wiener Donaukanals hat einen schlechten Ruf – mittlerweile zu Unrecht, denn seit rund 20 Jahren fließt nichts anderes als Donauwasser den Kanal hinunter. Darin planschen ist unbedenklich, und es ist auch erlaubt, bloß weiß das kaum jemand. Der Schwimmverein Donaukanal leistet diesbezüglich Aufklärungsarbeit und animiert dazu, in den Kanal zu steigen (S. 24).
Das Donaukanalufer ist quasi der Arbeitsplatz von Ahmed. Der Asylwerber verkauft dort vom Fahrrad aus ohne Berechtigung gekühlte Bierdosen. Viele freut’s, weil günstiger als in der Gastro, doch die Law-and-Order-Fans, bis hinauf zu ÖVP-Sicherheitssprecher Karl Mahrer, schäumen wegen diesem informellen Lieferservice. Ahmed verriet Christof Mackinger seine Jobmotivation (S. 14).
Auch in der Bundesregierung sitzen Law-and-Order-Fans, die gerne mal übers Ziel hinausschießen. Der Verfassungsgerichtshof hat bis Redaktionsschluss zwei Verordnungen des Gesundheitsministers nachträglich aufgehoben. Gut, dass der Rechtsstaat (noch) funktioniert, davon profitieren auch AUGUSTIN-Verkäufer_innen, denen – offenkundig – zu Unrecht Strafen in Zusammenhang mit Covid-19 aufgebrummt worden sind. Und sie profitieren von einer erstaunlichen Spendenbereitschaft: Zwei in der Titelgeschichte porträtierte Schneider übergaben uns insgesamt über vierhundert Schutzmasken, und Sie, werte Leser_innen, haben mehr als einhundert Gastrogutscheine an unsere Adresse weitergereicht. Allen Spender_innen ein herzliches Dankeschön!

Verkaufen, wann man will

Augustinverkäufer Michael

Es war vor ein paar Jahren: In der Gruft in der Mariahilfer Straße bei der Maltherapie haben wir T-Shirts bemalt in einer Hütte, da hat mich Robert Sommer angesprochen, ob ich eine Geschichte schreiben möchte über die Gruft und über das Malen. Ich ha… weiterlesen

Die erste Arbeit brachte einen doppelten Erfolg

wos is los … beim Augustin

Das Branchenmagazin Der Österreichische Journalist [sic!] holte «Die besten 30 unter 30» Journalist_innen des Landes «vor den Vorhang». Darunter die 24-jährige Nina Thiel, die seit eineinhalb Jahren regelmäßig im AUGUSTIN Reportagen beisteuert.
Aufm… weiterlesen

Leute machen Kleider

1303 gab es in Wien den ersten eingetragenen Schneider. Heute kämpft die Kleidermacherei mit dem globalen Preisdruck. Wie viel Zeit, wie viel Lohn und wie viel Erdöl stecken in unseren Hemden? Eine Reise durch ein Urwiener Gewerbe.

Text: Eva Maria… weiterlesen

«Nicht Türken gegen Kurden»

Bahoz Sterk* ist ein austrokurdischer Aktivist in Wien. Mit dem AUGUSTIN spricht er übers Aufwachsen im Simmering der 1990er-Jahre zwischen antifaschistischer Politisierung, Grauen Wölfen und Skinheads, über die Zusammenstöße Ende Juni in Favoriten u… weiterlesen

Do-it-yourself-Gastro am Donaukanal

Fahrradtaschen voll mit kühlem Bier. Wer die Gastro am Donaukanal zu teuer findet, kann sich von fliegenden Verkäufer_innen versorgen lassen. Deren Job ist mehr als prekär.

Text: Christof Mackinger, Illustration: Asuka Grün

Ein paarmal schon wo… weiterlesen

Abschied von Hermine

Eine gemeinsame Dekade wurde abrupt beendet: Hermine, seit zehn Jahren Augustin-Verkäuferin, ist diesen Sommer viel zu früh verstorben. Gelernt haben wir von ihr was ziemlich Einmaliges: dass man lachen und schäkern kann, auch wenn einer das Leben me… weiterlesen

«Meine Freund_innen nennen’s Kommunismus»

Sachbuch

Nach den Arbeiten zur Geschichte der sozialen Bewegungen in Österreich und seinen Büchern zur linken Theoriebildung widmet sich Robert Foltin in seinem neuen Buch Vor der Revolution der aktuellen politischen Situation. Beeinflusst von den Ereignissen… weiterlesen

Der einsame Kampf mit dem Eisen

Gewichtheben war einmal eine populäre Sache, die in Wirtshäusern ausgetragen wurde. In der Zwischenzeit hat dieser Sport an Breitenwirkung eingebüßt. Von den Handvoll Gewichtheber_innenvereinen, die es heute noch in Wien gibt, ist ein einziger in Fav… weiterlesen

Die Straßen als öffentlicher Raum

In vielen Städten werden Straßen als öffentlicher Raum abseits des motorisierten Verkehrs wiederentdeckt und genutzt. Wie sieht die Situation in Wien aus?

Text: Lisa Puchner, Foto: space-and-place/Ákos Burg

Einmal trippelt eine Familie den Ba… weiterlesen

«War für mich Ehrensache»

Lokalmatador

Valentin Vodev hat ein Faltrad gebaut, das nicht nur ihm selbst große Freude bereitet.

Text: Uwe Mauch, Foto: Mario Lang

Von der Werkstatt im sechsten zum Shop im fünften Bezirk fegt er mit seinem Radl. In weniger als fünf Minuten. Und ja, es i… weiterlesen

Sonderling und Salondame

Wie viel Nähe braucht ein Mensch, um glücklich zu sein? Und wie viel Abstand zu allen anderen, um die Welt zu verstehen? Ana Marwan begleitet in ihrem Debütroman einen Außenseiter an die Grenze freiwilliger Einsamkeit.

Text: Helmut Neundlinger, Fo… weiterlesen

Wiener Surfopernstars

Anfang Juli traten sie im Chelsea vor sitzendem Publikum auf:
Balu & die Surfgrammeln mit ihrer instrumentalen Surfmusik zwischen Heurigen und Opernhaus. Gitarrist Wolfi Gramml alias Wolfgang Birkfellner im Gespräch über Geld, Spaß, Trübsal und… weiterlesen

Schwer, ein Auto zu bauen, wenn man nie eines gesehen hat

Musikarbeiter unterwegs … Tennisplätze, Kaiserschädeln, Wacken

Das Trio Kaiser Franz Josef – kurz KFJ – veröffentlicht das Album III. Seit zehn Jahren aktiv, releasen sie ihren satten Rock auf einem Major, nicht alltäglich in A.

Text: Rainer Krispel, Foto: Mario Lang

Der Zufall spielt mir eine Rod-Stewart-… weiterlesen

Von der Nordrandsiedlung bis Simmering

Österreichische Filmgeschichte

Zwischen dem Kinostart von Barbara Alberts Nordrand und jenem von Sabine Derflingers Die Dohnal liegen zwanzig Jahre Filmgeschichte. Ruth Mader dreht den Saisonarbeiterinnenfilm Struggle (2003), Anja Salomonowitz siedelt mit Spanien (2012) Fluchtgesc… weiterlesen

Zweitinstanzliches Trauerspiel

Literatur

Lieber würde Gabrielle sich mit Rechtsstreitigkeiten über Windparks beschäftigen, aber auf ihrem Schreibtisch im Erdberger Verwaltungsgericht häufen sich Beschwerden gegen erstinstanzliche Entscheidungen im Asylverfahren. In zwei Stapeln («im Prinzip… weiterlesen

(Ohne Titel) Lyrik von Veronique Homann

(Ohne Titel)

 

Bin ich noch Schatten?

Bewege mich nicht fort,

falle nicht im Licht.

 

Obliege einem Körper,

der mir vertraut,

aber kein geselliger mehr ist.

 

Ohne Aussicht auf Hilfe

oder darauf,

dass ein… weiterlesen

Cherchez la Femme: Gewalt im Alter

Warum besonders Frauen davon betroffen sind

Ich kenne aus direkter Erfahrung nur das Sterben meiner Mutter, als persönlichste und schmerzlichste Erinnerung überhaupt. Die allumfassende Gewalt, wie immer man sie auch benennen mag und welche Maske man ihr auch geben möge – die gesellschaftlich-s… weiterlesen

Eine Reise in die Vergangenheit

Die Abenteuer des Herrn Hüseyin (Juli 2020)

Vor einiger Zeit bekam Hüseyin eine Nachricht via WhatsApp. Eine dem Hüseyin nicht bekannte Person fragt ihn, ob er den Hidir kennt, der früher bei der Firma Mayreder gearbeitet hat. Hüseyin schreibt zurück und möchte den Namen des Schreibenden wisse… weiterlesen

13 Herzen schlagen

Gegen die Strömung zu kämpfen, kann die Billigware auf der Leitung sitzen, ist das Angeborene dieser Zeit. Wir sind alle hungrig und durstig nach Decoronialisierung. Der Vater strömt in überproportionaler Angst, die Mutter singt im Akkord des Kanons … weiterlesen

teilen: