Augustin 596

Zwischen Bewegung und Brache

Es soll ja gesund sein, sich zu bewegen. Egal wie, Hauptsache bewegen. Stimmt wohl, aber was, wenn Bewegung zum unge­wollten Muss wird? Sich als junger Mensch durchs Leben zu bewegen, sollte im idealen Zustand zu einer guten Zukunft führen. Wenn eine Wohnung fehlt, wird das schwierig. In Österreich gibt es Notschlafstellen für Jugendliche und junge Erwachsene, aber zu wenige. Ständig in Bewe­gung sein zu müssen, weil man nirgends ankommen darf, kann traumatisierend wirken. In Graz hat nun das «Wohnhaus für Junge Erwachsene» eröffnet, Chris Haderer berichtet (S. 10).
Bewegung kann also aktivierend sein, aber auch das Gegenteil bewirken: grenzenlose Müdigkeit. «Damit möglichst viel Interaktion passiert, muss alles in Bewegung bleiben», sagt Architektin Bernadette Krejs (S. 6) und meint damit digi­tale Plattformen. Sie forscht zu der ­Frage, wie Instagram und Airbnb durch die Fotos, die wir dort sehen, unsere Vorstellungen von Wohnen prägen. Auch wie Architekt:innen Wohnraum entwerfen, wird beeinflusst. Die Plattformen sind aber kein öffentlicher (Diskurs-)Raum, sondern private Unternehmen, die durch Werbung verdienen. Je mehr «Bewegung» der Daten, desto mehr Kapital wird generiert.
Da braucht es mal ein Brachlie­gen, um ­runterzukommen vom Bewegen, zumindest dem kapita­listisch verwertbaren. Das nämlich schlägt die ­Brachiale vor. Als «Festival zur Ehrung der Brache» tritt sie an, Leerstellen in Stadtplanung und Leistungsimperativ mit Hilfe von Kunst zu erforschen (S. 18). Dafür ­müssen wir uns zwar an den Stadtrand bewegen, aber in keinen (Web-)Shop.
Am 8. Mai ist übrigens angesagt, sich am Gürtel zu bewegen: Die Gürtelconnection bietet zahlreiche Konzerte in 14 Lokalen, bei einmaliger freier Spende (siehe Backcover). Die Hälfte dieser Spende geht an den Augustin. Ein herzliches Danke!

 

Text: Ruth Weismann

Coverfoto: Carolina Frank

Filmischer Blick

Augustinerin Johanna Suppin

Wenn wirklich viel los ist, setze ich mich an meinen Schreibtisch und male, das holt mich wieder runter. Meistens arbeite ich mit Buntstiften oder Acrylfarben, ­manchmal auch digital. Auf Instagram hab ich einen Mal-­Account und einen Hunde-Account, … weiterlesen

Auf der Armuts­konferenz geht es «um alles»

Wos is los … beim Augustin? … im April ’24

Wenn wir von Inklusion reden, wen wollen wir eigentlich inkludieren? Und wohin? Wollen wir selbst inkludiert sein? Oder lieber involviert sein in Debatten, die uns alle angehen? Bei der Armutskonferenz, die verlässlich alle zwei Jahre im Bildungshaus… weiterlesen

Wie instagrammable ist deine Wohnung?

Bilder auf Plattformen wie Instagram oder Airbnb verändern unseren Begriff vom Wohnen. Und sie verändern auch, wie Architekt:innen Wohnraum entwerfen. Welche Bilder es braucht, um das Wohnen realitätsnah und divers zu gestalten, erforscht die Archit… weiterlesen

Zukunft statt Not

In Graz zeigt das neueröffnete «Wohnhaus für Junge Erwachsene», warum das Angebot von Notschlafstellen für junge Menschen – auch in Wien – zu kurz kommt.

Vor allem sind es Vorurteile und Diskriminierungen, mit denen obdachlose Menschen konfrontie… weiterlesen

Neue Luxusgüter

Klimazone (April 2024)

as Leben mit Neugeborenem ist ein ­Leben mit viel Kaffee. Zumindest in unse­rem Haushalt ist das so. Zusätzlich zum klassischen Kaffee hat mittler­weile auch koffeinfreier bei uns Einzug gehalten. Nach unruhigen Nächten brauche ich den Geruch und Ges… weiterlesen

Balancieren für die Selbstbestimmung

Biografische Erzählung: Coming of Age

Die Journalistin Nada Chekh, 28, ist im Wiener Gemeindebau in ­Favoriten aufgewachsen. In ­ihrem Buch Eine Blume ohne Wurzeln. Wie ich Selbstbestimmung zwischen Doppelleben und Doppelmoral fand beschreibt sie das Balancieren zwischen den muslimischen… weiterlesen

Jugendfeindliche Politik

Speakers‘ Corner (24. April 2024)

Mit aller Härte treten Vertre­ter:innen der Politik gegen das «Problem» Jugend in den Medien auf: «Jugendkriminalität explodiert; Waffenverbot; Grenzkontrollen in Favoriten».
Auch ich bin entsetzt, wie weit sich die Gewalt ausgebreitet hat. Doch im … weiterlesen

«Nicht von oben herab»

Lokalmatador:in Nr. 546: Pfarrerin Anna Kampl

Anna Kampl ist Pfarrerin in Simmering. Ihre Gemeinde steht allen Nachbar:innen offen.

Der gelernte Bäcker aus dem Nachbarhaus ist in sein Blatt vertieft. Er hat wieder einmal zu Hause Kuchen gebacken und mitgebracht. Niki und Liesi, beide über ne… weiterlesen

Auf den Spuren des Schriftstellers Jaroslav Hašek

Städte unterm Radar: Lipnice nad Sázavou

Weit unter 1.000 Einwohner:innen und trotzdem seit Jahrhunderten eine Stadt: Lipnice nad Sázavou ist eine Pflichtdestination für alle, die Die Abenteuer des guten Soldaten Švejk schätzen. Nach dem Plan seiner Gefährt:innen sollte der erst wenige Mona… weiterlesen

Pause von der Leistung

Die Brachiale, ein Festival zur Ehrung der Brache, widmet sich Ende Mai Ackerböden, Stadt und Lebensräumen. Zehn Künstler:innen und Kunst-Gruppen stellen am Zukunftshof in Wien ihre Werke aus und vor, die sich mit (un-)verwertbaren (Zwischen-)Räumen… weiterlesen

SOLANGE …

SOLANGE … «Solange aus Liebe mit einem Schlag Gewalt wird, bin ich Feministin», stand im Sommer 2023 an der Kunstuniversität Linz. Im Ötztal hieß es: «Sölong a Weiwats dreimol sövl orbatet, obr dreimol mindar vrdiet, bin i Feminischt:in.» Und auf der… weiterlesen

Andere Perspektiven

Dokumentarfilm-Festival ethnocineca

Pflege und die Arbeitsbedingungen im Care-Bereich sind spätestens seit Corona zum Thema geworden. Wer pflegt? Und zu welchem Preis? Maria kümmert sich als 24-Stunden-Betreuerin um eine alte Dame in Österreich. Ihre Fahrt in ihre Heimat Rumänien dauer… weiterlesen

Cherchez la Femme: Da liegt der Hund begraben

Vorwärts in die Gegenwart

Stell dir vor, du kramst in einer uralten Foto-Kiste deiner Großeltern, die du in einer vergammelten dunklen Ecke oben am Dachboden per Zufall entdeckt hast. Stell dir vor, du entstaubst vorsichtig die Bilder, die so aussehen, als könnten sie in dein… weiterlesen

Der Popel, eine Hassliebe

Lesen und Lesen lassen (April 2024)

Es gibt keinen Grund, ungegenderte Bücher nicht zu kritisieren. In Popel, mein Popel sind die eine Hauptfigur, der Popel, und die ­andere, ein wohl meist als Mädchen gelesenes Kind, «Freunde». Wenngleich es ein bissl eine Hassliebe ist. Im Gegensatz … weiterlesen

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